Katholisch-konservativer Widerstand
von Wolfgang Neugebauer und Stephan Roth
Die Katholische Kirche stand zwar nicht als Institution im aktiven Widerstand gegen das NS-Regime, da sie ihre legale Existenz nicht gefährden wollte und einen Modus Vivendi mit den Machthabern suchte; aber allein ihr Vorhandensein und ihre weltanschaulich geistige Tätigkeit wirkten dem nationalsozialistischen Totalitätsstreben entgegen. Einen Markstein im Verhältnis Kirche - NS-Regime bildete die Jugendfeierstunde („Rosenkranzfest“) am 7. Oktober 1938 im Stephansdom mit mehr als 7.000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen, bei der es zu antinazistischen Bekundungen von katholischen Jugendlichen kam.
Die Antwort des Regimes war mehr als brutal, Verhaftungen und Zerstörungen folgten. Der Widerstand von Priestern und Ordensangehörigen war vielfaltig und reichte von verhältnismäßig harmlosen Vergehen gegen die Feiertags- und Gottesdienstordnung bis zum mit dem Tod bedrohten Hochverrat. Antikatholische Maßnahmen, Diskriminierung und Verfolgung von „Ständestaats“-Funktionären und die Unterdrückung alles Österreich-Patriotischen führten zur Bildung katholischer Widerstandsgruppen.
Ab Sommer/Herbst 1938 entstanden etwa die drei Österreichischen Freiheitsbewegungen (um Karl Roman Scholz, Jakob Kastellic und Karl Lederer), die im Sommer 1940 der Agent-provocateur-Tätigkeit des Burgschauspielers Otto Hartmann zum Opfer fielen. Führende Funktionäre wurden erst 1944 vor den Volksgerichtshof gestellt, zum Tode verurteilt und im selben Jahr im Wiener Landesgericht hingerichtet. Nach der Zerschlagung dieser ersten großen Widerstandsgruppen 1940 waren die wichtigsten Widerstandsorganisationen in diesem politischen Milieu die Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreichs und die Gruppe um den Kaplan Heinrich Maier und den Semperit-Generaldirektor Franz Josef Messner. Die 1942-1944 operierende Gruppe Maier-Messner wurde durch Einsatz von V-Leuten zwischen Februar und April 1944 von der Gestapo aufgerollt, und der VGH verurteilte am 28. 10. 1944 acht der zehn Angeklagten zum Tode.
Die Bedeutung der Gruppe Maier-Messner lag vor allem in den Kontakten zum US-Militärgeheimdienst OSS, der mit wichtigen Informationen über die Rüstungsindustrie in Ostösterreich versorgt wurde. Die Antifaschistische Freiheitsbewegung Österreichs (AFÖ), die vom Klagenfurter Pfarrer Anton Granig und dem Kärntner Landtagsabgeordneten und Sekretär der Vaterländischen Front Karl Krumpl gegründet wurde, hatte in den Jahren 1941–1943 ein weit verzweigtes Widerstandsnetz von Kärnten über die Steiermark bis Wien aufgebaut. „Habsburgisch-separatistischer Hochverrat“ und „gewaltsame Wiederherstellung der Habsburgermonarchie“ waren laut VGH-Urteil die Ziele der Organisation. Die AFÖ wurde im Juli und August 1943 von der Gestapo zerschlagen; von 13 vor dem VGH Angeklagten wurden acht 1944 zum Tode verurteilt. Verbindungen bestanden zwischen früheren Funktionären der christlichen Arbeiterbewegung, namentlich Felix Hurdes und Lois Weinberger, zu deutschen christlichen Gewerkschaftern um Jakob Kaiser und damit zum Verschwörerkreis des 20. Juli 1944. Gegen Kriegsende formierten sich vielerorts neue Widerstandskreise im bürgerlichen Lager, sodass zu Recht vom Entstehen der ÖVP im Widerstand gesprochen werden kann.
Quelle: Fritz, Herbert/Krause, Peter (2013): Farbe tragen, Farbe bekennen 1938–45. Katholisch Korporierte in Widerstand und Verfolgung. (ÖVfStG, 2013) S. 62-64.