Gräfin Anna Bertha von Königsegg BHS

Anna Bertha von Königsegg
Anna Bertha von Königsegg (Mikrut 2000-1)

Personalia

Geboren:

9. Mai 1883, Königseggwald in Württemberg

Gestorben:

12. Dezember 1948, Salzburg

Beruf:

Ordensschwester

Verfolgung:

Haft 17.09.1940 - 28.09.1940,
Haft 16.04.1941 - 13.08.1941,
Gauverbot 1941

Lebenslauf

Anna Bertha von Königsegg wird als älteste Tochte des Grafen Franz Xaver von Königsegg und seiner Frau Hedwig, geborene von Neipperg, in Königsegg im deutschen Württemberg geboren. Die Familie zählt zum schwäbischen Uradel, welches über 300 Jahre hinweg enge Beziehungen zu Salzburg pflegt. So fungierten seit der Mitte des 16. Jahrhunderts bereits sechs Familienmitglieder als Domherren in Salzburg.

Anna Bertha von Königsegg wächst in einer religiös-caritativ geprägten Atmosphäre heran und erhält eine für den damaligen Adelsstand typische, gut Schulbildung, bei der vor allem auf den Fremdsprachenerwerb wert gelegt wird. So spricht sie fließend Englisch, Französisch und Italienisch.

Nach ihrer Schulausbildung tritt sie in die Kongregation der Töchter der Christlichen Liebe von hl. Vinzenz und Paul (Barmherzige Schwestern) in das Zentralhaus in Paris ein. Zuvor hatte sie noch einen Kindergarten gestiftet. Ihre Probezeit absolviert Anna Bertha von Königsegg im St. Josefs-Spital in Paris. Nach ihrer Einkleidung, 1884 wird sie dem Allgemeinen Spital in Angers zugeteilt, wo sie die nächsten 12 Jahre hindurch wirkt, bevor sie 1906 ihre Ewige Profess ablegt.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 muss Anna Bertha von Königsegg Frankreich verlassen und nach Turin versetzt. 1916 geht sie nach Siena und 1919 wieder zurück nach Turin. Danach wird sie Geschäfts- und Lehrschwester im Stadtspital der Filiale San Vito. Schließlich wird Anna Bertha von Königsegg 1925 Visitatorin der Salzburger Provinz.

Sie reorganisiert die Pflegeausbildung, richtet Armenstuben ein, saniert und baut Kindergärten aus und kümmert sich um die Ausbildung junger Frauen. Von November 1935 bis März 1936 wird sie zur außerordentlichen Visitatorin der Kölner Provinz der Kongregation der Töchter der Christlichen Liebe von hl. Vinzenz und Paul, nachdem die in Deutschland herrschenden Nationalsozialisten unter falschen Vorwürfen, gegen diese Provinz vorgegangen sind.

Anna Bertha von Königsegg in Dreizehnlinden
Anna Bertha von Königsegg in Dreizehnlinden (Mikrut 2000-1)

Anna Bertha von Königsegg muss als Gegnerin des Nationalsozialismus erleben, wir in der Nacht von dem 11. auf den 12. März 1938 Österreich untergeht und die Nationalsozialisten gemeinsam mit der deutschen Wehrmacht die Macht übernehmen. Als Visitatorin versucht sie ihre Mitschwestern zu schützen und zu beruhigen.

Habe mich bei den zuständigen Stellen genau erkundigt und teile Ihnen Folgendes mit, was Sie mit ganz ruhigen Gewissen befolgen können und damit zugleich den neuen staatlichen Vorschriften als pflichtbewußte und ehrliche Staatsbürgerinnen nachkommenb werden:

Der Gruß „Heil Hitler“ ist vorgeschrieben in Ämtern usw., aber nicht auf der Straße und im Privatverkehr. Verbinden Sie damit die Meinung, dem Führer den Segen Gottes zu wünschen, damit er sein verantwortungsvolles Amt zum Besten des Volkes erfüllen könne. Wenn Sie eingeladen werden, das Radio anzuhören, so entschuldigen Sie sich, da Sie das nie getan und übrigens von Politik nichts verstehen und sich ganz ihren Armen widmen.

Die Schulschwestern können mit ruhigen Gewissen den Diensteid leisten. Er enthält nichts gegen unsere religiösen Überzeugungen, und übrigens kann ein Eid nie verpflichten, etwas gegen unser Gewissen zu tun, gerade so wie das Gelübde des Gehorsams, dann da hört das Bindende des Eides auf. Ich denke, Sie mit diesen Zeilen zu beruhigen […]

Aus einem Rundschreiben von Anna Bertha von Königsegg vom 20. März 1938

Die neuen Machthaber drängen die Barmherzigen Schwestern Stück für Stück aus ihren Heimen, Kindergärten und Schulen, beschlagnahmen die Gebäude und führen diese Staats- oder Parteizwecken zu. Die arbeitslos gewordenen Schwestern werden von Anna Bertha von Königsegg als Pfarrhelferinnen oder Krankenschwestern in den ordenseigenen Krankenhäusern eingesetzt.

von der NSDAP konfisziertes Herz-Jesu-Heim
von der NSDAP konfisziertes Herz-Jesu-Heim (Mikrut 2000-1)

Doch auch die ordenseigenen Krankenhäuser werden sukzessive von den Nationalsozialisten übernommen, die geistlichen Krankenschwestern entlassen und durch NSV-Schwestern ersetzt. So zB am 15. April 1939 das Krankenhaus in Kufstein, oder am 1. Jänner 1940 das Krankenhaus in Wörgl. Gleichzeitig steuert die NSDAP eine Kampagne, in welcher den Barmherzigen Schwestern seelenerpresserische Methoden, die sich würdig den Praktiken der mittelalterlichen Inquisition an die Seite stellen, vorgeworfen werden.

Ein weiterer Konflikt entsteht, als das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 und das Gesetz zum Schutz von Erbgesundheit des deutschen Volkes vom 18. Oktober 1935 Anfang 1940 in der “Ostmark” umgesetzt werden.

Dies bedeutet, dass in den Landeskrankenhäusern Zwangssterilisationen stattfinden. Anna Bertha von Königsegg weißt daraufhin ihre Schwestern darauf hin an, dass ihnen jegliche Mitwirkung an solchen Eingriffen untersagt ist. Dabei stützt sie sich auf ein Rundschreiben des Erzbischöflichen Generalvikariats Köln.

[Es sei untersagt, sich bei solchen Operationen zu beteiligen] durch Assistieren, Instrumentieren (Zurechtlegen und Zureichen von Instrumenten) und Narkotisieren. Auch dürfen Kranke nicht zu den Operationen zurechtgemacht und in den Operationssaal überführt werden. Lediglich, wenn Schwestern zur Abwendung einer akuten Lebensgefahr, die plötzlich aufgetreten sei, herbeigerufen werden, dürfen sie diesem Herbeiruf Folge leisten.

Aus dem Rundschreiben des Erzbischöflichen Generalvikariats Köln vom 29. Juli 1936

Durch diese Weisung schaffen es die Barmherzigen Schwestern sich völlig aus den nationalsozialistischen Zwangssterilisationen herauszuhalten, ohne dass ihnen daraus ein Nachteil erwächst. Die überwiegend katholische Ärzteschaft neigt zu einer gewissen Nachgiebigkeit gegenüber den Ordensschwestern, zumal diese in den Spitälern eine sehr wichtige Unterstützung darstellen.

Im August 1940 ereignet sich ein weiterer, folgenschwererer Vorfall. Die Oberin der ordenseigenen Versorgungsanstalt Schernberg erhält ein als vertraulich gekennzeichnetes Schreiben der Reichsstatthalterschaft, in dem die Verlegung einer größeren Anzahl der dort untergebrachten Patienten angekündigt wird. Anna Bertha von Königsegg erkennt, dass es sich bei der scheinbar harmlosen Ankündigung, um den Auftakt der Euthanasie-Aktion handelt. Sie stellt sich schützend vor die Patienten und verfasst einen Antwortbrief.

Die Oberin der Versorgungsanstalt Schernberg bei Schwarzach - St. Veit erhielt dieser Tage die Mitteilung, die sie mir als ihrer Vorgesetzten weitergab, dass Kranke der Anstalt in Sammeltransporten abgeholt und in andere Anstalten überführt würden. Es ist nunmehr schon ein offenes Geheimnis, welches Los diese abtransportierten Kranken erwartet, denn nur zu oft langt kurz nach ihrer Überführung eine Todesnachricht vieler derselben ein. Bedenken Sie, Herr Reichsverteidigungskommissar, die Folgen dieses Vorgehens: Unsere siegreich heimkehrenden Krieger, die Blut und Leben fürs Vaterland gewagt haben, werden vielleicht Vater oder Mutter oder sonst einen nahen Verwandten nicht mehr vorfinden; wie werden sie sich dazu stellen?

Und bringt es nicht eine große Unruhe und Unsicherheit unter das Volk, das gerade heutzutage mehr denn je, geeint und vertrauensvoll dastehen sollte, wenn ein jeder sich sagen muss: “Was wird noch mit mir selbst geschehen?” Denn ein jeder von uns, auch Sie und ich, wird einmal hilfsbedürftig werden oder durhc Krankheit oder Unfall der Gemeinschaft keinen aktiven Dienst mehr leisten können. Was wird auch das Ausland von uns denken, wenn ein so hochstehendes Kulturvolk, das die größten Siege der Weltgeschichte erringt, mitten in seinem Siegeslauf beginnt, sich selbst zu verstümmeln?

Müssen Sie nicht auch fürchten, dass die Seelen all dieser Armen, denn sie haben eine unsterbliche Seele, wie Sie und ich, Sie vor dem Richterstuhle Gottes anklagen werden, vor dem wir alle erschienen müssen, ob wir es glauben oder nicht; und was dann? Die göttliche Vorsehung, die unser Führer immer wieder vertrauensvoll nennt, wird auch andere Mittel haben, das beabsichtigte Ziel zu erreichen, und ich erlaube mir folgenden Weg vorzuschlagen: Wenn sie uns zusagen, uns unsere Pfleglinge in Schernberg zu belassen, so sind wir bereit, bis zum Ende des Krieges und der Rückkehr zu Friedensverhältnissen auf den staatlichen Beitrag zu Erhaltung der Kranken (als Kopfquote des Gaufürsorgeverbandes) zu verzichten und einzig auf Kongregations-Kosten die Anstalt im jetzigen Zustande weiter zu erhalten. Das dadurch dem Gau eingesparte Geld kann dann leicht verwendet werden, um die “notwendigen, jederzeit verfügbaren Betten” zu beschaffen. Sollte aber aus irgend einem Grunde der Vorschlag nicht angenommen werden, so bitte ich Sie, nicht auf unsere Mithilfe beim Abholen und Transport der Kranken zu rechnen.

Brief von Anna Bertha von Königsegg an den Reichsverteidigungskommissar

Auf diesen Brief hin, wird Anna Bertha von Königsegg von der Gestapo am 17. September 1940 vorgeladen. In Verhören will die Gestapo wissen, von wem sie die Informationen zum Euthanasieprogramm hat. Da sie diese nicht bekanntgibt, bleibt sie bis 28. September 1940 in Haft. Die Patienten werden danach auf Kosten des Ordens vorerst in der Versorgungsanstalt Schernberg bealssen.

Im Jänner 1941 wird die Verlegung von geistig behinderten Kindern aus der ordenseigenen Anstalt Mariatal bei Kramsach in Tirol bekannt. Abermals wendet sich Anna Bertha von Königsegg an Gauleiter Friedrich Rainer, in seiner Funktion als Reichsverteidigungskommissar, schriftlich und bietet an, sämtliche Kosten zu übernehmen.

Mit Schreiben vom 23. August 1940, Zl. 51 erlaubte ich mir Stellung zu nehmen zur Vormeldung der Verlegung von Pfleglingen aus unserer Versorgungsanstalt Schernberg. Ich sehe nun, dass jetzt die gleiche Verfügung für unsere Anstalt in Mariatal bei Kramsach (Tirol) zu erwarten ist. Um auch hier eine positive Lösung zu bieten, erkläre ich, wie in meinem oben erwähnten Schreiben, dass ich bereit bin, auch in Mariatal die Pfleglinge bis zur Wiederkehr der Friedensverhältnisse auf unsere Kosten zu erhalten, wenn mit die Zusicherung gegeben wird, dass uns die Pfleglinge belassen bleiben.

Zu diesem Angebot drängt mich mein Gewissen. Das Gebot, das Leben Schuldloser nicht zu verkürzen, ist von Gott einem jeden Menschen ins Herz geschrieben. Ich möchte daher alles daran setzen, unser Volk und Vaterland davor zu bewahren, eine solche Schuld auf sich zu laden, die nur Gottes Strafe und die entschiedene Ablehnung aller rechtlich denkenden Menschen nach sich ziehen könnte.

Brief von Anna Bertha von Königsegg am 18. Jänner 1941 an Gauleiter Friedrich Rainer

Zwar passiert auf dieses Schreiben keine unmittelbare Reaktion, Anna Bertha von Königsegg ist jedoch alarmiert. Sie fürchtet die Klosteraufhebung und Vermögensentziehung durch die Nationalsozialisten. Daher weist sie alle Schwestern über 50 Jahre an, Sparbücher anzulegen, die im Notfall als Privateigentum ausgewiesen werden können.

Etwa zwei Monate später schlägt das nationalsozialistische Regime zurück. Am 11. April 1941 wird Anna Bertha von Königsegg davon in Kenntnis gesetzt, dass der Abtransport der Patienten der Anstalt Schernberg nunmehr unmittelbar bevorsteht. Abermals wendet sich Anna Bertha von Königsegg schriftlich an der Gauleiter. Am 15. April 1941 schickt die Gestapo zwei Beamte in das Salzburger Zentralhaus, um Anna Bertha von Königsegg zu verhaften. Diese befindet sich aber gerade auf Visite in Kirchbichl in Tirol. Zwar kann sie noch von der bevorstehenden Verhaftung gewarnt werden, Anna Bertha von Königsegg weigert sich zu fliehen und erwartet ihre Häscher.

Am 16. April 1941 wird Anna Bertha von Königsegg von der Gestapo in Kirchbichl verhaftet und per Auto nach Salzburg gebracht. Noch am selben Tag werden 68 Patienten aus der Landesheilanstalt Salzburg abtransportiert. In Transporten am 21. April 1941, am 20. Mai 1941 und am 4. August 1941 wird die Anstalt Schernberg geleert und am 23. Mai 1941 wird die Anstalt Mariatal geleert. Die Patienten werden dem nationalsozialistischen Euthanasieprogramm zugeführt.

Anna Bertha von Königsegg wird am 13. August 1941 wieder aus der Haft entlassen, erhält aber ein Gauverbot. Sie fährt in das Gut ihres Bruders in Königswaldegg. Das gesamte Vermögen der Barmherzigen Schwestern in Salzburg wird wegen Volks- und Staatsfeindlichkeit beschlagnahmt.

In Königswaldegg erlebt Anna Bertha von Königsegg die Kapitulation des Dritten Reiches. Sofort macht sie sich auf den Weg in das befreite Österreich und kommt am 23. Juni 1945 wieder im Mutterhaus in Salzburg an. Sofort macht sie sich an den Wiederaufbau der Niederlassungen der Barmherzigen Schwestern in Salzburg.

Mutterhaus der Herz-Jesu-Schwestern in Salzburg 1945
Mutterhaus der Herz-Jesu-Schwestern in Salzburg 1945 (Mikrut 2000-1)

So kann die Anstalt Schernberg 1946 wieder eröffnet werden. Mitten in der Wiederaufbauarbeit macht sich eine bereits als überwunden geglaubte Krankheit aus dem Jahre 1941 wieder bemerkbar. Operationen und Bestrahlungen können nicht mehr helfen. Anna Bertha von Königsegg verstirbt am 12. Dezember 1948 in Salzburg.

Orte

Quellen

  • Mikrut, Jan (2000): Blutzeugen des Glaubens. Martyrologium des 20. Jahrhunderts. Band 3 (Wien), S. 221–244.

Anna von Königsegg BHS

Ordensschwester
* 9. Mai 1883
Königseggwald in Württemberg
† 12. Dez. 1948
Salzburg
Gauverbot, Haft