Dr. Max Frhr. Riccabona von Reichenfels

Max Riccabona von Reichenfels

Personalia

Geboren:

31. März 1915, Feldkirch

Gestorben:

4. Oktober 1997, Lochau

Beruf:

Rechtsanwalt

Verfolgung:

Haft 28.05.1941 - 19.01.1942,
KZ Dachau 19.01.1942 - 29.04.1945

KZ-Nummer:

29067

Mitgliedschaften

K.Ö.St.V. Traungau Graz

Lebenslauf

Max Riccabona wird als Sohn des aus dem Tiroler Adelsgeschlecht zu Reichenfels stammenden Rechtsanwalts Dr. iur. Gottfried Kuno von Riccabona (1879–1964) in Feldkirch geboren. Seine Mutter Anna [Sara] Perlhefter (1885–1960) stammt aus einer Prager jüdischen Familie, die zum katholischen Glauben konvertiert ist. Max gilt demnach im Sinne der sog. „Nürnberger Rassegesetze“ [1. Verordnung zum Reichsbürgergesetz v. 14.11.1935 (RGBI I (1935)1333 f.) auf Grund des § 3 Reichsbürgergesetz v. 15.9.1935 (RGBI I (1935)1146)], die nach dem Anschluss auch in Österreich in Kraft getreten sind, als ein „Mischling 1. Grades“ (sog. „Halbjude“). Damit entstammt Max einer „Mischehe“.

Sein Vater interveniert bei höchsten NS-Stellen, um seine Familienangehörigen vor der Deportation zu retten, letztlich auch, um seinen Sohn Max zu schützen.

Max Riccabona besucht nach der Volksschule das Bundesgymnasium in Feldkirch, wo er 1934 maturiert. In seiner Jugend erkrankt er mehrmals schwer an Lungenentzündung und muss deswegen einige Zeit in den Lungenheilstätten Gaisbühel und Davos in der Schweiz verbringen.

Auf einer Wahlversammlung begegnet er bereits 1932 Adolf Hitler und lehnt ihn sofort ab. Max Riccabona schlägt zunächst die juristische Laufbahn ein und geht nach Graz, um Staatswissenschaften zu studieren und es mit der rechtshistorischen Staatsprüfung zu beenden. Hier tritt er 1934 der Studentenverbindung Traungau Graz bei, „weil dieser die schärfsten Raufereien gegen die Nazis lieferte“.

Zwischenzeitig absolviert er Sommerkurse in Paris, Cambridge, Perugia und Salamanca. 1936 kehrt er aus Paris zurück und besucht die Konsularakademie in Wien, die er 1938 als Diplomkonsul abschließt. Er setzt dann das Studium in Wien fort. Eine Laufbahn im diplomatischen Dienst bleibt ihm als „Mischling“ verwehrt. Max Riccabona arbeitet für den englischen und französischen Geheimdienst. Über seinen Bundesbruder Dr. Erwin Wasserbäck, den Presseattaché der Österreichischen Botschaft in Paris, wird er auch für den politischen Nachrichtendienst eingesetzt. Hier in Paris unterhält er 1939/40 Kontakte zum Kreis der Exilanten um Joseph Roth und Otto von Habsburg im Café Toumon. Er ist dort an der Organisation des Widerstands beteiligt und als „Kurier für eine geheime tyrolisch monarchistische Widerstandsbewegung“ tätig. 1940 kehrt er zurück und wird zur Wehrmacht eingezogen. Nach verschiedenen Einsatzorten wie Ersatzkompanie des J.R. No. 462 in Hollabrunn und an der Westfront in Frankreich bei der Panzerabwehr wird er im Juli 1940 in der Funktion eines „Sonderführers“ ins Kriegsgefangenenlager Stalag XVIIa in Kaisersteinbruch bei Bruck/Leitha, das erste dieser Art in der „Ostmark“, versetzt. Seine Verwendung dort ist aktenmäßig nicht überliefert. Max Riccabona selbst gibt an, als „Dolmetsch“ eingesetzt gewesen zu sein. Hier bildet sich eine Widerstandsgruppe, an der auch Max Riccabona beteiligt ist. Später berichtet er, hier denunzierte Juden gerettet und ihre Repatriierung durch Unterstützung eines dem CV angehörenden Arztes ermöglich zu haben.

Nach einem Lazarettaufenthalt vom 12. bis 28.11.1940 bei den Barmherzigen Brüdern in Wien-Leopoldstadt erfolgt die Entlassung als „garnisonsverwendungsfähig Heimat“. Am 3.12.1940 wird er als „asthenischer Psychopath“ für „wehrunwürdig“ erklärt und aus der Wehrmacht entlassen, wobei auch Beziehungen eine Rolle gespielt haben könnten.

Anschließend geht er nach Wien, wird dort nach Denunziation eines Gestapospitzels wegen verbotener monarchistischer Betätigung 1939 in Paris am 28.5.1941 verhaftet und anschließend ins Polizeigefängnis nach Salzburg „als politischer Untersuchungshäftling als Todeskandidat“ überstellt. Max Riccabona gibt nach der Befreiung am 4.5.1945 als Verhaftungsgrund an: „suspect of spionage and illegal working in a movement of liberation“ [auf Grund von in Paris gefundenen Akten um den Österreichischen Botschaftsangehörigen Dr. Martin Fuchs]. Am 19.1.1942 wird er ohne Gerichtsurteil in das KZ Dachau verbracht. Nach verschiedenen Hilfstätigkeiten wie Hilfsschreiber im Block 3 und Krankenpfleger im Häftlingskrankenhaus erkrankt er selbst in den letzten Wochen seines Aufenthaltes an Flecktyphus, von dessen Folgen er sich später nie mehr hat erholen können. Er könnte auch als eine Art Funktionshäftling gewesen sein; ein Ausweis-Dokument weist ihn als „Reviercapo“ im Häftlingskrankenhaus aus. Ein weiteres Dokument, eine „Bescheinigung“ des KZ-Arztes SS-Hauptsturmführer Dr. Sigmund Rascher (1909–1945) vom 12.1.1944, weist auf die Tätigkeit Max Riccabona in Dachau hin; ihm wird bescheinigt, dass er „Mitarbeiter im obigen Institut (ist). Er reist in meiner Begleitung in dienstlicher Angelegenheit nach Vorarlberg. Der Genannte kann bei Kontrolle durch mich ausgewiesen werden.“ Es handelt sich hier um das „Institut für wehrwissenschaftliche Zweckforschung“, in dem verschiedenartige Menschenversuche vorgenommen werden. Es ist aktenmäßig nicht erkenntlich, inwieweit Max Riccabona hier bei diesen Versuchen involviert gewesen ist. Er hat viel mit ansehen müssen und hat auch von der Bedrohung seines Lebens gewusst. Sein Vater Gottfried hat immer wieder versucht, ihm hier zu helfen; denn für „Halbjuden“ besteht im KZ höchste Lebensgefahr. Über seinen Aufenthalt in Dachau berichtet Max Riccabona unter dem Titel „Auf dem Nebengeleise“. Er verbleibt in Dachau bis zur Befreiung des Lagers durch die amerikanischen Truppen am 29.4.1945.

Nach Aufenthalt im Reservelazarett Valdurra und Kur in Bad Gastein nimmt Max Riccabona 1947 das Jusstudium in Innsbruck wieder auf, das er 1949 mit der Promotion zum Doctor iuris abschließt. Weiters ist er in der „Österreichisch-demokratischen Freiheitsbewegung (ÖDW)“ in Vorarlberg als Landesobmann tätig und arbeitet mit den französischen Besatzungsbehörden bei der Entnazifizierung in Vorarlberg sowie bei der Betreuung der durch den Nationalsozialismus Geschädigten mit. 1949 tritt er als Rechtsanwaltsanwärter in die väterliche Kanzlei ein, die er 1960 übernimmt. Bis 1965 arbeitet er als Rechtsanwalt. Nach dem Tode seines Vaters gibt er wegen der Spätfolgen des KZ-Aufenthaltes sein Berufsleben auf und ist in den letzten Lebensjahrzehnten im Herz-Jesu-Heim in Lochau als freier Schriftsteller und Bildkünstler tätig.

Orte

Verfolgung:

KZ Dachau (Deutschland)

Wohnort:

Hirschgraben 9 (Feldkirch)

Quellen

Krause, Peter/Reinelt, Herbert/Schmitt, Helmut (2020): Farbe tragen, Farbe bekennen. Katholische Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Teil 2. Kuhl, Manfred (ÖVfStG, Wien) S. 283-285.; Photo: ÖVfStg

Max Frhr. Riccabona von Reichenfels

Rechtsanwalt
* 31. März 1915
Feldkirch
† 4. Okt. 1997
Lochau
Haft, KZ Dachau