Edith Esther Lichter (geb. Spivak)

Photo von Edith Lichter
Edith Lichter
Bild: Marika Lichter, Privat

Personalia

Geboren:

24. September 1919, Osijek

Gestorben:

23. August 2004, Wien

Beruf:

Geschäfts- und Hausfrau

Verfolgung:

Haft 20.03.1944 - 15.11.1944,
KZ Ravensbrück 15.11.1944 - 01.04.1945,
KZ Salzwedel 01.04.1945 - 14.04.1945

Lebenslauf

Edith Esther Spivak kommt in Osijek in Kroatien als eheliche Tochter des Opernsängers Paul Spivak und seiner Gattin Mariza, geborene Boskowitz, zur Welt. Die jüdische Familie zieht nach Budapest, wo die Mutter ein Klaviergeschäft betreibt. Dort besucht Edith Esther die Volksschule und im Anschluss das Zrínyi-Ilona-Mädchen Gymnasium, wo sie 1937 maturiert. Danach inskribiert sie Kunstgeschichte an der Universität in Budapest.

1939 heiratet Edith Spivak den ungarischen Juden Pista Bokor. Nach dem Eintritt Ungarns am 26. Juni 1941 in den Zweiten Weltkrieg an der Seite der Achsenmächte wird Pista Bokor eingezogen und fällt in weiterer Folge. Die nunmehrige Kriegswitwe Edith Bokor bleibt zurück in Budapest.

Juden in Ungarn werden unter der Diktatur von Reichsverweser Miklós von Horthy zwar materiell ausgebeutet, aber nicht körperlich verfolgt. Nach einer Phase der materiellen Ausbeutung unter Miklós Kállay, Ministerpräsident unter Reichsverweser Miklós von Horthy, kommt es 1944 zu einer nächsten Phase der Verfolgung in Ungarn. Mit den deutschen Invasionstruppen kommt ein 200 Mann starkes Sondereinsatzkommando des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) unter Führung von SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann mit dem Auftrag, die 'Endlösung' einzuleiten und die Durchführung durch die ungarischen Behörden zu überwachen. Die deutschen Schätzungen gehen von etwa einer Million Juden aus. Die Stufen der Endlösung, die von ungarischen Behörden umgesetzt werden, sind Erfassung, Kennzeichnung, Entrechtung, Ghettoisierung, Zwangsarbeit, Enteignung und Deportation.

Ferdinand 'Tuli', Marika und Edith Lichter in Wien in den 1950er Jahren
Ferdinand 'Tuli', Marika und Edith Lichter in Wien in den 1950er Jahren
Bild: Marika Lichter, Privat

Ungarn wird am 19. März 1944 von deutschen Truppen unter dem Decknamen 'Operation Margarethe' besetzt. Am 23. März 1944 wird eine neue Regierung unter Ministerpräsident Döme Sztójay gebildet. Bald werden die jüdischen Ungarn mit 107 Gesetzen vollständig entrechtet.

Edith Bokor wird bereits einen Tag nach der Besetzung Ungarns durch die deutsche Wehrmacht bzw. das SS-Sondereinsatzkommando verhaftet. Am 16. April 1944 beginnt die Ghettoisierung; elf Tage später, am 27. April 1944, folgen unter der Leitung von Adolf Eichmann die massenhaften Deportationen in das KZ Auschwitz. Die Inhaftierung in Ghettos und Lagern wird von der ungarischen Gendarmerie durchgeführt.

Edith Bokor wird am 15. November 1944 in das KZ Ravensbrück deportiert. Von dort wird sie, als die Rote Armee heranrückt, am 1. April 1945 in das KZ Salzwedel überstellt, wo sie am 14. April 1945 von der 9. US-Army befreit wird. Ihr Gesundheitszustand nach den traumatischen und menschenverachtenden Zuständen in den Konzentrationslagern ist derart angegriffen, dass sie am Tag ihrer Befreiung in das Kreiskrankenhaus Salzwedel eingewiesen wird, wo sie bis zum 22. Juli 1945 bleiben muss.

Nach ihrer Genesung kehrt sie zurück nach Budapest, wo sie den aus Lemberg [heute: Lviv in der Ukraine] stammenden Juden Naftuli Lichter, genannt 'Tuli', kennenlernt. Er hat ebenfalls die Gräuel der nationalsozialistischen Konzentrationslager überstanden. Sie heiraten 1946.

Nach der kommunistischen Machtübernahme in Ungarn muss die jüdische Familie fliehen und zieht nach Wien. Zuerst überlegen Edith und Naftuli Lichter, der seinen Vornamen später in 'Ferdinand' ändert, nach Israel oder Australien auszuwandern, finden aber dann in Wien ihre Heimat und bleiben. Am 24. Oktober 1949 kommt die gemeinsame Tochter Marika Mirjam Rachel Lichter zur Welt.

Marika, Ferdinand 'Tuli' und Edith Lichter am Keren Kajemeth Ball 1965
Marika, Ferdinand 'Tuli' und Edith Lichter am Keren Kajemeth Ball 1965
Bild: Marika Lichter, Privat

Ohne Glück soll man nicht geboren werden.

Edith Lichter über ihr Leben.

Edith Lichter gründet 1954 gemeinsam mit ihrem Ehemann eine kleine Texilfirma in Wien. In den 1980er Jahren geht sie in Pension und verstirbt mit 84 Jahren. Sie findet ihre letzte Ruhestätte am Jüdischen Friedhof in Wien.

Ihre Tochter ist die berühmte Sängerin, Schauspielerin und Musikmanagerin Marika Lichter. Die auf nationalen und internationalen Bühnen und im Fernsehen auftretende Lichter ist auch durch ihr soziales Engagement weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt. Sie arbeitet mit dem Stück 'Ich hab (k)ein Heimatland' die Geschichte ihrer Eltern auf. Darin setzt sie sich mit den Begriffen 'Heimat' und 'Zuhause' sowie mit der Erfahrung des jüdischen Lebens auseinander. Es besteht aus einer Mischung von Erzählungen, Zitaten und Liedern, die von Schlager über Arien bis hin zu politischen Songs reichen und das Gefühl des Fremdseins thematisieren.

Edith, Ferdinand 'Tulli' und Marika Lichter im Jahre 1990
Edith, Ferdinand 'Tulli' und Marika Lichter im Jahre 1990
Bild: Marika Lichter, Privat

Orte

Wohnort:

Verfolgung:

KZ Ravensbrück (Fürstenberg/Havel, Deutschland), KZ Salzwedel (Deutschland)

Quellen

Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA)

Arolsen Archives

Marika Lichter, Privat

Wikipedia

Edith Lichter

Geschäfts- und Hausfrau
* 24. September 1919
Osijek
† 23. August 2004
Wien
Haft, KZ Ravensbrück, KZ Salzwedel