Andreas Rieser
Personalia
Geboren:
Gestorben:
Beruf:
Verfolgung:
Haft 23.06.1938 - 03.08.1938,
KZ Dachau 03.08.1938 - 26.09.1939,
KZ Buchenwald 26.09.1939 - 06.12.1940,
KZ Dachau 06.12.1940 - 01.05.1945
KZ-Nummer:
Lebenslauf
Der Engel von Dachau
Andreas Rieser wird als zweites von sieben Kindern der Bauernfamilie Josef und Theresia Rieser in Luggau bei Dorfgastein geboren. Er wächst mit seinen vier Brüdern und zwei Schwestern auf dem Präau-Lehen - so heißt der Bauernhof - auf, weshalb die Familie die Präer genannt wird. In Dorfgastein besucht er die Volksschule und muss auf der nahegelegenen Tauernbahn, gegen Ende des Ersten Weltkrieges, den traurigen Rückzug der geschlagenen österreich-ungarischen Armee und den Niedergang der Doppelmonarchie miterleben.
1919 wechselt er in das Erzbischöfliche Knabenseminar Borromäum in Salzburg, wo er 1928 maturiert. Danach tritt er sofort in das Priesterseminar in Salzburg ein, wo er schließlich am 10. Juli 1932 zum Priester geweiht wird. 1933 wird Andreas Rieser Kooperator (Kaplan) in Stumm im Zillertal. Er ist ein überzeugter Gegner des aufkommenden Nationalsozialismus und macht auch bei seinen Predigten keinen Hehl daraus.
In Stumm im Zillertal erlebt er den Untergang Österreichs am 12. März 1938 durch den Einmarsch der deutschen Wehrmacht. Seine Gegnerschaft zum Nationalsozialismus ist hinlänglich bekannt.
Nachdem der Pfarrer von Dorfgastein, Franz Arno Binna, aufgrund seines anti-nationalsozialistischen journalistischen Engagements in der Vaterländischen Front, fürchten muss verhaftet zu werden, flieht er nach Italien. Andreas Rieser wird daraufhin am 1. Juni 1938 als Provisor mit der Leitung der Pfarre Dorfgastein betraut. Bereits eine seine ersten Predigten, jene am Dreifaltigkeitssonntag, erregt bei der nationalsozialistischen Nomenklatura Unmut, zumal sich darin “Anzüglichkeiten auf die Jetztzeit”, allerdings “in versteckter, nicht belangbarer Form” verbergen.
In seiner neuen Pfarre muss das Turmkreuz mit der darunter befindlichen Kugel (dem sogenannten Knauf) erneuert werde. Am 18. Juni 1938 werden die Handwerker fertig und waren nur noch auf die Hinterlegung eines Zeitdokumentes im Knauf. [Anm: Es war früher üblich, vor der Verlötung des Knaufs, ein Dokument zu hinterlegen, welches für die Nachwelt historischen Wert haben sollte.] Nachdem Pfarrer Franz Arno Binna zu diesem Zeitpunkt nicht mehr greifbar ist, verfasst Andreas Rieser im 11:00 Uhr auf Pergamentpapier eine Gedenkschrift. In dieser Gedenkschrift unter der Überschrift 'Zum Gedenken für spätere Zeiten' beurteilt er die gegenwärtige religiöse, politische und wirtschaftliche Lage unter den neuen Verhältnissen, wobei er besonders auf die Entstehung und Verbreitung des Nationalsozialismus eingeht. Um 12:00 Uhr übergibt er den Brief den Handwerkern zum Einlöten. Diese gehen ihn jedoch dem fanatisch nationalsozialistischen Gemeindesekretär, Lehrer und Schriftwart der örtlichen NSDAP, Wilhelm Katholnigg, welcher ihn dem Postenkommandanten Emil Hübner, ebenfalls ein überzeugter Nationalsozialist, weiterleitet.
Nach einigen Stunden erscheinen der Postenkommandant sowie der neue Bürgermeister im Pfarrhof, führen eine Effekten- und Personendurchsuchung durch und beschlagnahmen Briefe und Predigten. Nach am selben Tag wird Andreas Rieser wegen ‘Schmähung der Partei, des Führers und des Staates bzw. Verdacht des Hochverrats’ angezeigt.
Andreas Rieser wird nicht sofort verhaftet. Aus Angst vor Repressalien gegenüber seiner Familie entschließt er sich jedoch nicht zur Flucht. In gedrückter Stimmung begeht er noch den Pfarrgottesdienst mit anschließender Fronleichnamsprozession am 19. Juni 1938 und informiert am 20. Juni 1938 Weihbischof Filzer über die Situation und sein unkluges Handeln. Obwohl der Postenkommandant Emil Hübner gegenüber Andreas Rieser sagt, er könne maximal eine scharfe Rüge erwarten, hatte er bereits am 18. Juni 1938 an die Gestapo geschrieben und die rascheste Entfernung Riesers aus Dorfgastein als notwendig bezeichnet, da dieser infolge seiner staatsfeindlichen Gesinnung hier in seiner eigentlichen Heimat das beste Agitationsfeld hat.
Als Andreas Rieser am Abend des 23. Juni 1938 von einer Wallfahrt am Bahnhof in Dorfgastein aussteigen möchte, wird er verhaftet und noch mit dem gleichen Zug nach Salzburg gebracht und dort in das Polizeigefängnis eingeliefert. Er kommt Einzelhaft und wird verhört. Am 30. Juni 1938 wird er weiter in das Polizeigefängnis in München gebracht und von dort am 3. August 1938 weiter in das Konzentrationslager Dachau verschleppt.
Im KZ Dachau wird Andreas Rieser einer Strafkompanie zugeteilt, was ein Mehr an Arbeit, Demütigung, Hunger, Misshandlungen und Quälereien bedeutet. Mit seiner Einlieferung in das KZ Dachau kommt auch ein Begleitschreiben mit Lebenslauf und Angabe des Verhaftungsgrundes, sodaß die Aufseher genau wissen, wie sie ihn zu behandeln haben. Er wird derart Misshandelt, dass er vier Wochen lang Kranken- und Barackenaufenthalt hat. Danach wird er den Dachdeckern zugeteilt, wo er auch den späteren Bundeskanzler und Außenminister Leopold Figl kennen und schätzen lernt.
Immer wieder wird von den Nationalsozialisten im Konzentrationslager versucht, die Priester, oftmals auch mithilfe von falschen Versprechungen (Freilassung, gut bezahlte Stellung, etc…) von ihrem Priesterberuf abzubringen. Immer wieder bekommt er die Worte zu hören: ‘Heirate, habe Kinder, usw.’ Einmal ist er der Schutzhaftlagerführer selber, der ihn zu sich zitiert. Unter Hinweis auf einen Salzburger Priester, der seinen Beruf aufgegeben hat, nun verheiratet ist und einen schönen Posten hat, fordert er Andreas Rieser auf, ‘mit diesem altmodischen Kram zu brechen’, damit er entlassen wird und ‘Hoffnung auf einen vielversprechende Zukunft hat’. Andreas Rieser läßt sich von den Nationalsozialisten nicht beeinflussen.
Am 26. September 1939 wird Andreas Rieser werden die meisten Schutzhäftlinge wegen des Kriegsbeginns von Dachau in andere Konzentrationslager verlegt. Andreas Rieser kommt in das KZ Buchenwald und auch dort wieder in eine Strafkompanie. Aufgrund es Ausbruchs der Ruhr wird zu Allerheiligen 1939 die Arbeit vorübergehend eingestellt und im Jänner 1940 wird er aus der Strafkompanie in das “normale” Konzentrationslager entlassen. Mit 17. September 1940 werden die Priester vom Arbeitsdienst abgezogen und isoliert. Dort trifft er auch auf seinen Mitbruder Leonhard Steinwender.
Am 6. Dezember 1940 wird Andreas Rieser wieder in der KZ Dachau zurückgebracht und er dort in einem Priesterblock mit vielen österreichischen Priestern eingesperrt. Dort dürfen sie etwas später sogar wieder die Messe feiern. Am 28. April 1942 wird er zum Haupt- bzw. Gesamtkommandoschreiber bestellt. In dieser Position versucht er viel Gutes für seine Mithäftlinge zu erreichen. Diese große Hilfsbereitschaft für seine Mitbrüder und Mithäftlinge bringt ihm den Ehrenamen Engel von Dachau ein.
Als der Lagerdekan Georg Schelling im April 1945 aus dem KZ Dachau entlassen wird, bestellt der Andreas Rieser zu seinem Nachfolger. Am 26. April 1945 wird das KZ Dachau geräumt und ein Todesmarsch in Ötztal beginnt. Am 1. Mai 1945 wird er schließlich in Waakirchen in Bayern befreit.
Am 30. Mai 1945 erreicht Andreas Rieser wieder seine Heimat Dorfgastein. An den gesundheitlichen Folgen seiner Haft leidet er ein Leben lang. Nach seiner Rückkehr wird er Kooperator in Reith bei Brixlegg und ab 1. August 1948 Pfarrer in Bamberg. Er verstirbt dort im 58. Lebensjahr an einem Herzschlag.
Der ORF verfilmt später 1982 seinen Lebensweg.
Quellen
- Mikrut, Jan (2000): Blutzeugen des Glaubens. Martyrologium des 20. Jahrhunderts. Band 3 (Wien), S. 245–265.