Dr. Ludwig Steiner
Personalia
Geboren:
Gestorben:
Beruf:
Verfolgung:
Widerstandskämpfer (unentdeckt)
Mitgliedschaften
Lebenslauf
Ludwig Steiner besucht in seinem Geburtsort Innsbruck die Volks- und Mittelschule. Über die Vorfälle beim Anschluss berichtet er u. a.:
Um einer Mitgliedschaft bei der HJ zu entkommen, gründet er zusammen mit einer Gruppe von Freunden aus der Katholischen Jugend und den Pfadfindern eine Jugendbergwacht.
Sein Vater Ludwig (1872–1941) wird als christlich-sozialer Gemeinderat in Innsbruck im September 1939 verhaftet und einige Zeit in Polizeigewahrsam gehalten und dann ins KZ Dachau überstellt. In dieser Zeit wird Ludwig Steiner viermal von der Schule weg zur Gestapo geholt, um dort weiteres Belastungsmaterial gegen seinen Vater zu erhalten, „weil man offenkundig zu wenig anklagereifes Material hatte. […] Darüber wurde ich stundenlang verhört. Da gab es auch Schläge, wenn das Verhör nicht wunschgemäß voranging.“
1941 maturiert Ludwig Steiner an der Handelsakademie in Innsbruck. Anschließend wird er zunächst zum Reichsarbeitsdienst [RAD] in das Arbeitslager Derneburg bei Hildesheim/Niedersachsen einberufen und im April in Cognac in Frankreich eingesetzt. Dann wird er zur deutschen Wehrmacht in das Gebirgsjäger Ersatzbataillon 136 (Geb.Jg. Ersatz Btl. 136) in Innsbruck eingezogen. Weil seine „außerdienstliche Eignung nicht gegeben ist“, wird er in der Kriegsschule in Wr. Neustadt nicht zum Offizier befördert. Als Angehöriger der 2. Gebirgsdivision, 2. Kp. des 1. Btl. 136 wird er 1943 bei einem Einsatz an der Eismeerfront [Sapadnaja Liza] 34 km vor Murmansk schwer verwundet. Nach seiner Genesung kehrt er zum Geb.Jg. Ersatz Btl. 136 in Innsbruck zurück und wird dort Bataillonsadjutant.
Hier beginnen seine Aktivitäten in der „Widerstandsbewegung 05“ und der Aufbau von Widerstandsgruppen innerhalb der Wehrmacht in allen Kasernen der Innsbrucker Garnison, vor allem auch bei den Angehörigen der Studentenkompanie. Major Werner Heine, sein Bataillonschef, ist der militärische Führer der Widerstandsgruppe.
Im November 1944 wird das Geb.Jg. Ersatz Btl. 136 auf Befehl des Generalkommandos XVIII von Salzburg nach Wolfsberg in Kärnten verlegt. Damit droht die bisherige Widerstandsarbeit zu zerbrechen. Ende Januar/Anfang Februar 1945 erhält Ludwig Steiner bis Kriegsende Studienurlaub und so gelingt es ihm sowie einigen Gesinnungsfreunden, unter ihnen auch Major Heine, ihre Widerstandstätigkeit in Innsbruck wieder aufzunehmen und durch neue Kontakte und Unterstützung der Studentenkompanien auszubauen.
Ludwig Steiner ist auch beteiligt an der Ausarbeitung eines Luftlandeplanes für die Alliierten im Inntal und als Reserveraum Kitzbühel-St. Johann, der am 16. April 1945 fertiggestellt und weitergeleitet wird.
Karl Gruber alias „Dr. Brand“ kehrt im März 1945 aus Berlin zurück und wird nun der politische Kopf des Widerstands, Ludwig Steiner nimmt sofort mit ihm Kontakt auf.
„[…] Innsbruck muss befreit werden, bevor die Amerikaner kommen“, so hat Karl Gruber alle Beteiligten eingeschworen. Im Handstreich werden die im Kasino auf der Hungerburg versammelten Spitzen von Partei und Wehrmacht gefangen genommen. Am 2. Mai 1945 nachmittags befinden sich alle Innsbrucker Wehrmachtskasernen und die Gendarmeriekaserne ohne Blutvergießen in den Händen der Widerstandsgruppen. Nach der Eroberung des Landhauses in Innsbruck am 2.5.1945 nimmt Ludwig Steiner Kontakt zu den näherrückenden amerikanischen Truppenverbänden der 103rd US Infantry Division („Cactus Divion“) in Reith bei Seelfeld auf. Er trägt dabei eine Armbinde mit dem 2-sprachigen Stempel „Austrian movement of Liberation – 05 – Tyrol“ bzw. „DIE ÖSTERREICHISCHE WIDERSTANDS-BEWEGUNG – 05“.
Er ist maßgeblich an der Befreiung von Innsbruck beteiligt. Am Abend des 3. Mai können die amerikanischen Truppen in Innsbruck einmarschieren.
Ludwig Steiner beginnt 1943 sein Studium der Volkswirtschaft an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck, unterbrochen durch Kriegseinsatz und freigestellt Februar 1945 bis Kriegsende; nach der Sponsion 1947 zum Diplom Volkswirt [Dipl.-Vw.] beendet er das Studium 1948 mit der Promotion zum Dr. rer. soc. oec.
Unmittelbar nach Kriegsende wird Ludwig Steiner auch politisch aktiv: er wird Mitbegründer der ÖVP in Tirol, 1945 zunächst Sekretär des provisorischen Landeshauptmanns von Tirol, Karl Gruber sowie 1946–1948 des Innsbrucker Bürgermeisters Anton Melzer, weiters wird er im Mai 1945 Mitglied des Provisorischen Tiroler Landtags. 1948 tritt er in den diplomatischen Dienst im Bundeskanzleramt in Wien, wird Mitarbeiter an der Österreichischen Botschaft in Paris, Gesandter in Sofia, Staatssekretär, Botschafter in Athen und übernimmt dann die Leitung der Außenstelle des Bundeskanzleramtes in Innsbruck.
Nach weiteren diplomatischen Posten und Mitarbeit in der Bundesregierung sowie als Nationalrat ist er am 20. Dezember 2000 zum Vorsitzenden des Österreichischen Versöhnungsfonds (ÖVF) zur Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter und zum Mitglied des Verwaltungsrates der Europäischen Beratungsstelle von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bestellt worden. 1994–2011 ist er auch Vizepräsident des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) und ab 2011 Ehrenmitglied.
Orte
Wohnort:
Quellen
- Krause, Peter/Reinelt, Herbert/Schmitt, Helmut (2020): Farbe tragen, Farbe bekennen. Katholische Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Teil 2. Kuhl, Manfred (ÖVfStG, Wien), S. 338–340.