Dr. Ludwig Steiner

Photo von Ludwig Steiner
Ludwig Steiner (ÖCV)

Personalia

Geboren:

14. April 1922, Innsbruck

Gestorben:

28. Juni 2015, Wien

Beruf:

Politiker

Verfolgung:

Widerstandskämpfer (unentdeckt)

Mitgliedschaften

A.V. Austria Innsbruck, ÖVP Kameradschaft der politisch Verfolgten und Bekenner für Österreich, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands

Lebenslauf

Ludwig Steiner besucht in seinem Geburtsort Innsbruck die Volks- und Mittelschule. Über die Vorfälle beim Anschluss berichtet er u. a.:

„Wir [die Jugendgruppe bei den Jesuiten in Innsbruck unter der Leitung von P. Dr. Alois Schrott (1905–1980)] waren bitter enttäuscht, als der Aufruf der Bundesregierung zur Vermeidung von Kampfhandlungen im Radio zu hören war. Besonders geschockt hat mich die sofort einsetzende Menschenjagd, in unserem Hause wurde in der Umsturznacht der Präsident der Arbeiterkammer verhaftet und dabei geschlagen; beeindruckt hat mich auch das Herunterreißen der rot-weiß-roten Fahne von der Kaserne des Kommandos der 6. Gebirgsbrigade durch Bundespolizisten mit Hakenkreuzarmbinden unter Jubel vor einer johlenden Menge.“

Um einer Mitgliedschaft bei der HJ zu entkommen, gründet er zusammen mit einer Gruppe von Freunden aus der Katholischen Jugend und den Pfadfindern eine Jugendbergwacht.

„Wir haben eine ganz normale Sanitätsausbildung und auch Übungen und Rettungseinsätze gemacht. So entkamen wir der HJ.“

Ludwig Steiner über sein Entkommen von der HJ

Sein Vater Ludwig (1872–1941) wird als christlich-sozialer Gemeinderat in Innsbruck im September 1939 verhaftet und einige Zeit in Polizeigewahrsam gehalten und dann ins KZ Dachau überstellt. In dieser Zeit wird Ludwig Steiner viermal von der Schule weg zur Gestapo geholt, um dort weiteres Belastungsmaterial gegen seinen Vater zu erhalten, „weil man offenkundig zu wenig anklagereifes Material hatte. […] Darüber wurde ich stundenlang verhört. Da gab es auch Schläge, wenn das Verhör nicht wunschgemäß voranging.

1941 maturiert Ludwig Steiner an der Handelsakademie in Innsbruck. Anschließend wird er zunächst zum Reichsarbeitsdienst [RAD] in das Arbeitslager Derneburg bei Hildesheim/Niedersachsen einberufen und im April in Cognac in Frankreich eingesetzt. Dann wird er zur deutschen Wehrmacht in das Gebirgsjäger Ersatzbataillon 136 (Geb.Jg. Ersatz Btl. 136) in Innsbruck eingezogen. Weil seine „außerdienstliche Eignung nicht gegeben ist“, wird er in der Kriegsschule in Wr. Neustadt nicht zum Offizier befördert. Als Angehöriger der 2. Gebirgsdivision, 2. Kp. des 1. Btl. 136 wird er 1943 bei einem Einsatz an der Eismeerfront [Sapadnaja Liza] 34 km vor Murmansk schwer verwundet. Nach seiner Genesung kehrt er zum Geb.Jg. Ersatz Btl. 136 in Innsbruck zurück und wird dort Bataillonsadjutant.

Photo der Familie Steiner
Ludwig Steiner mit seinen Eltern und Geschwistern. von l. nach r.: Raimund Steiner, Zita Steiner, Ludwig Steiner, Ludwig Steiner sen., Rosa Steiner, Cilly Steiner (Privatbesitz Steiner)

Hier beginnen seine Aktivitäten in der „Widerstandsbewegung 05“ und der Aufbau von Widerstandsgruppen innerhalb der Wehrmacht in allen Kasernen der Innsbrucker Garnison, vor allem auch bei den Angehörigen der Studentenkompanie. Major Werner Heine, sein Bataillonschef, ist der militärische Führer der Widerstandsgruppe.

„Ein weiteres Problem war es, wie internationale Kontakte geknüpft werden konnten. Wir sahen den Sinn einer Widerstandstätigkeit auch darin, durch Aktionen die Bombardierung Innsbrucks und Tirols militärisch überflüssig zu machen. Wir waren uns bewusst, dass Tirol ein besonders sensibler Punkt des Nachschubweges Nord-Süd und Ost-West war. In diesem Zusammenhang waren wir sehr interessiert, Wege für Kontakte zu den Amerikanern oder zu den Briten zu finden.

[…]

Wichtig waren die Kontakte zu den Angehörigen der sogenannten Studentenkompanien in Innsbruck, in denen für das Studium freigestellte Offiziere und Soldaten zusammengefasst waren, z. B. Mediziner, Techniker, Chemiker usw. Verbindungen konnten da über den einen oder anderen Universitätsprofessor oder in Zusammenarbeit mit illegal tätigen katholischen Studentenverbindungen mit großer Verlässlichkeit hergestellt werden. Allerdings waren solche Studenten meist nur für ein Semester zum Studium abkommandiert.“

Im November 1944 wird das Geb.Jg. Ersatz Btl. 136 auf Befehl des Generalkommandos XVIII von Salzburg nach Wolfsberg in Kärnten verlegt. Damit droht die bisherige Widerstandsarbeit zu zerbrechen. Ende Januar/Anfang Februar 1945 erhält Ludwig Steiner bis Kriegsende Studienurlaub und so gelingt es ihm sowie einigen Gesinnungsfreunden, unter ihnen auch Major Heine, ihre Widerstandstätigkeit in Innsbruck wieder aufzunehmen und durch neue Kontakte und Unterstützung der Studentenkompanien auszubauen.

Ludwig Steiner ist auch beteiligt an der Ausarbeitung eines Luftlandeplanes für die Alliierten im Inntal und als Reserveraum Kitzbühel-St. Johann, der am 16. April 1945 fertiggestellt und weitergeleitet wird.

Ludwig Steiner im Tiroler Widerstand
Ludwig Steiner im Tiroler Widerstand (Privatbesitz Steiner)

„Zum Luftlandeplan gehörte auch ein Einsatzplan unserer Widerstandsgruppen zur Ausschaltung der Kommando-Strukturen in Tirol. Bei der Erarbeitung dieses Planes einer Luftlandeoperation gab es einen ständigen Kontakt mit Dr. Gruber, der sich immer klarer als politischer Koordinator und anerkannter Chef der Widerstandsaktivitäten herausstellte.“

Ludwig Steiner über seine Arbeit im Widerstand

Karl Gruber alias „Dr. Brand“ kehrt im März 1945 aus Berlin zurück und wird nun der politische Kopf des Widerstands, Ludwig Steiner nimmt sofort mit ihm Kontakt auf.

„Das erste Gespräch war gleich von Anfang an beeindruckend. Dr. Gruber sagte: ‚Ja, schau‘, wir sind jetzt in einer Situation, wo sich kein Mensch mehr vor der Gestapo fürchten muss. Die Gestapo muss sich vor uns fürchten.‘ […] Die eigentlichen Aktivitäten zur Übernahme der Macht in Innsbruck sind am 30. April und 1. Mai angelaufen. Es traf der militärische Einsatzstab unter der politischen Führung Dr. Grubers und unter der militärischen Leitung Major Heines in Aktion. Es war der Plan, zuerst einmal die Kasernen zu übernehmen und dann zu versuchen, bestimmte wichtige Einrichtungen, wie den Sender in Aldrans, das Landhaus und andere Positionen zu besetzen und wichtige Verkehrswege zu sichern.“

„[…] Innsbruck muss befreit werden, bevor die Amerikaner kommen“, so hat Karl Gruber alle Beteiligten eingeschworen. Im Handstreich werden die im Kasino auf der Hungerburg versammelten Spitzen von Partei und Wehrmacht gefangen genommen. Am 2. Mai 1945 nachmittags befinden sich alle Innsbrucker Wehrmachtskasernen und die Gendarmeriekaserne ohne Blutvergießen in den Händen der Widerstandsgruppen. Nach der Eroberung des Landhauses in Innsbruck am 2.5.1945 nimmt Ludwig Steiner Kontakt zu den näherrückenden amerikanischen Truppenverbänden der 103rd US Infantry Division („Cactus Divion“) in Reith bei Seelfeld auf. Er trägt dabei eine Armbinde mit dem 2-sprachigen Stempel „Austrian movement of Liberation – 05 – Tyrol“ bzw. „DIE ÖSTERREICHISCHE WIDERSTANDS-BEWEGUNG – 05“.

Er ist maßgeblich an der Befreiung von Innsbruck beteiligt. Am Abend des 3. Mai können die amerikanischen Truppen in Innsbruck einmarschieren.

Ludwig Steiner beginnt 1943 sein Studium der Volkswirtschaft an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck, unterbrochen durch Kriegseinsatz und freigestellt Februar 1945 bis Kriegsende; nach der Sponsion 1947 zum Diplom Volkswirt [Dipl.-Vw.] beendet er das Studium 1948 mit der Promotion zum Dr. rer. soc. oec.

Unmittelbar nach Kriegsende wird Ludwig Steiner auch politisch aktiv: er wird Mitbegründer der ÖVP in Tirol, 1945 zunächst Sekretär des provisorischen Landeshauptmanns von Tirol, Karl Gruber sowie 1946–1948 des Innsbrucker Bürgermeisters Anton Melzer, weiters wird er im Mai 1945 Mitglied des Provisorischen Tiroler Landtags. 1948 tritt er in den diplomatischen Dienst im Bundeskanzleramt in Wien, wird Mitarbeiter an der Österreichischen Botschaft in Paris, Gesandter in Sofia, Staatssekretär, Botschafter in Athen und übernimmt dann die Leitung der Außenstelle des Bundeskanzleramtes in Innsbruck.

Nach weiteren diplomatischen Posten und Mitarbeit in der Bundesregierung sowie als Nationalrat ist er am 20. Dezember 2000 zum Vorsitzenden des Österreichischen Versöhnungsfonds (ÖVF) zur Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter und zum Mitglied des Verwaltungsrates der Europäischen Beratungsstelle von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bestellt worden. 1994–2011 ist er auch Vizepräsident des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) und ab 2011 Ehrenmitglied.

Orte

Wohnort:

Multimedia

Ansehen aufYouTube
Ludwig Steiner - NR-Präsident a.D. Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol über Dr. Ludwig Steiner
Der langjährige Mitarbeiter von Staatssekretär a.D. Botschafter Dr. Ludwig Steiner, Nationalratspräsident a.D. Univ. Prof. Dr. Andreas Khol spricht über seinen engen Freund und Mentor.

Quellen

  • Krause, Peter/Reinelt, Herbert/Schmitt, Helmut (2020): Farbe tragen, Farbe bekennen. Katholische Korporierte in Widerstand und Verfolgung. Teil 2. Kuhl, Manfred (ÖVfStG, Wien), S. 338–340.

Ludwig Steiner

Politiker
* 14. Apr. 1922
Innsbruck
† 28. Juni 2015
Wien
Widerstandskämpfer (unentdeckt)