Dr. Richard Böhm

Personalia
Geboren:
Gestorben:
Beruf:
Verfolgung:
Haft 12.03.1938 - 02.04.1938,
KZ Dachau 02.041938 - 22.09.1942,
Entlassung 31.05.1938,
Gauverbot 1942
KZ-Nummer:
Ehrungen:
Großes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich
Lebenslauf
Richard Böhm wird in Wien als ehelicher Sohn des Hofrates Johann Böhm und Marie, geborene Reinisch, geboren. Die Familie ist altkatholisch. Nach der Volksschule besucht er das Gymnasium. Nach der Matura inskribert er Jus an der Universität Wien und nimmt Klavierunterricht am Konservatorium in Wien. 1914 promoviert er zum Doktor der Rechtswissenschaften und rückt 1915 als Einjährig Freiwilliger in das Infanterie-Regiment 14 ‘Hessen’ in den Ersten Weltkrieg ein.
Unmittelbar nach der Niederlage und der Zerschlagung der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie kehrt er bereits im November 1918 heim nach Wien. 1919 tritt er in den Dienst der Wiener Polizei als Polizeijurist ein, wo er nach dem Kommissariatsdienst zur Kriminalpolizei wechselt. 1926 heiratet er die die in Ungarn geborene Mariska [Maria] Gößl und wird in der Folge Vater eines Sohnes und einer Tochter. 1933 wechselt Richard Böhm in den staatspolizeilichen Dienst.
Richard Böhm ist überzeugter Gegner des Nationalsozialismus und bekämpft diese als Polizeibeamter wo er kann.
In politischer Hinsicht galt Dr. Böhm als der größte Gegner der Nationalsoziaisten, der die Bewegung aus innerster Überzeugung mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln bekämpfte. Er nahm nur große, schwierige und erfolgversprechende Amtshandlungen gegen Nationalsozialisten an.
Es war allgemein bekannt, dass Böhm in jedem Nationalsozialisten einen Verbrecher erblickte und diese danach behandelte.
Ich werde die Nationalsozialisten noch alle ausrotten!
Richard Böhm ist Teil des fast verzweifelten Kampfes Österreichs gegen den Einmarsch der deutschen Wehrmacht. Böhm und seine Mitarbeiter klären eine Reihe von Anschlägen auf, darunter einen Tränengasanschlag im Kaufhaus ‘Gerngroß’ in der Wiener Mariahilfer Straße im Dezember 1932, ein Attentat auf den Sender am Bisamberg und einen Anschlag auf einen D-Zug am Semmering. Im Februar 1938 gelingt es ihm, die Mitgliederkarteikarten der illegalen Nationalsozialisten in Österreich sicherzustellen. Aufgrund dessen können führende Nationalsozialisten festgenommen werden, die in politische Verbrechen verwickelt sind.
Am 12. März 1938 muss er erleben, wie das freie und unabhängige Österreich untergeht. Einen Tag nach dem Einmarsch, am 13. März 1938, wird er auf Befehl von Obergruppenführer Hans Lukesch verhaftet. Am 2. April 1938 wird er mit dem sogenannten ‘Prominententransport’ in das KZ Dachau deportiert. In der Haft schreibt er zum Teil religiöse Lieder für Gesang und Klavier, u.a. die Dachauer Gesänge.
Am 22. September 1942 wird Richard Böhm aus dem KZ Dachau entlassen und erhält in Wien Gauverbot. Er muss, getrennt von seiner Familie, nach Berlin ziehen und arbeitet bei einem Zeitungsverlag. Dort komponiert er einen weiteren Teil der Dachauer Gesänge und den Dachauer Zyklus. [Die Dachauer Gesänge werden am 1. April 1948 in München und Salzburg aufgeführt; der Dachauer Zyklus am 1. Dezember 1946 im Radiosender “Rot-Weiß-Rot” ausgestrahlt.]
Im Jänner 1945 wird Richard Böhm als ‘wehrunwürdiger Volkssturmmann ohne Charge’ in die Wehrmacht eingezogen und muss an die Ostfront, um gegen die anrückende Rote Armee zu kämpfen. Am 1. Mai 1945, eine Woche vor der Kapitulation Deutschlands, wird er und ein mit ihm befreundeter Koch des Regiments schwer verwundet. Beide kommen in russische Kriegsgefangenschaft.
Nach sechs Wochen Aufenthalt im Krankenhaus in Luckau in Brandenburg soll der Koch, ein Vater von sieben Kindern, nach Sibirien deportiert werden. Heldenhaft setzt sich Richard Böhm für seinen Freund ein, heißt es in einem Bericht der „Neuen Illustrierten Wochenschau“ vom 29. Mai 1960 unter dem Titel ‘Der musische Hofrat’: Richard Böhm habe dem sowjetischen Kommandanten seinen KZ- Entlassungsschein vorgewiesen und mit ihm verhandelt, um den Abtransport seines Freundes nach Sibirien zu verhindern – allerdings vergeblich. Am 14. Juni 1945 ist der Koch zum Abtransport auf der Straße angetreten. Richard Böhm stellt sich vor seinen Freund und versucht die Deportation zu verhindern.
Wenn der Franz geht, gehe ich auch. Wir haben alles gemeinsam getragen.
Ein österreichischer Oberleutnant teilt das dem russischen Kommandanten mit und dieser soll den Befehl gegeben haben, dass beide aus der Reihe austreten können.
Am nächsten Tag wird Richard Böhm freigelassen – als Verfolgter des nationalsozialistischen Regimes. Der Koch kann später aus der Kriegsgefangenschaft flüchten und läßt sich in Steyr nieder.
Mitte August kehrt Richard Böhm heim zu seiner Familie nach Wien. Die familieneigene Wohnung wurde jedoch bei einem Bombenangriff zerstört, weshalb sie die Wohnung einer nationalsozialistisch eingestellten Familie, die geflohen war, beziehen können. Die Familie kehrt jedoch bald zurück, weshalb abermals eine neue Wohnung bezogen werden muss.
Am 1. Oktober 1945 wird Richard Böhm bereits rehabilitiert und zum Sicherheitsdirektor im Burgenland ernannt. Diese Funktion hat er bis zum 3. Februar 1946 inne, als der das Kriegsverbrecherreferat im Bundesministerium für Inneres (BMI) übernimmt. Am 24. Juni 1946 wird er schließlich Polizeidirektor der Stadt Salzburg. Anfang 1954 wechselt Richard Böhm wieder zurück in das Bundesministerium für Inneres, wo er die Chefredaktion der Zeitschrift ‘Öffentliche Sicherheit’ übernimmt.
Mit 31. Dezember 1955 geht er in der Ruhestand und besucht mit seiner Ehefrau die Vereinigten Staaten von Amerika, wohin seine Tochter geheiratet hat. Nach seiner Rückkehr lebt er weiterhin in Wien.
Richard Böhm verstirbt 76-jährig in Wien, ein Jahr nach seiner Ehefrau. Er findet seine letzte Ruhestätte am Wiener Zentralfriedhof.
Quellen
Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA)
BMI-Magagzin unter www.bmi.gv.at/magazinfiles/2021/03_04/polizeigeschichte_20210317.pdf
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW)
