Dr. Carl Maria Aristides Bosse (geb. Basseches)
Personalia
Geboren:
Gestorben:
Beruf:
Verfolgung:
Haft Anfang Mai - 15.05.1942,
Lager Izbica 15.05.1942 - 15.10.1942,
Ermordet wahrscheinlich nach dem 15.10.1942
Lebenslauf
Carl Maria Aristides Basseches kommt als Sohn des jüdischen Ehepaares, des Kaufmanns Julius Basseches und Amalia, geborene Löwinsohn in Wien zur Welt. Nach der Volksschule besucht er das k.k. Franz Josefs Gymnasium im 1. Wiener Gemeindebezirk [heute: BG und BRG Stubenbastei], wo er 1896 maturiert. Noch im gleichen Jahr inskribiert er Chemie und Physik an der Universität Wien. 1900 ändert er seinen Nachnamen in ‘Bosse’, konvertiert zum katholischen Glauben und promoviert an der Universität.
Er arbeitet als Chemiker, heiratet die im slowenischen Teil der Steiermark, in Haidin bei Pettau [heute: Hajdina in Ptuj in Slowenien] geborene katholische Ilonka Maria Sajko und wird Vater einer Tochter. Sie kaufen sich eine Wohnung in der Nussdorferstraße 77 im 9. Wiener Gemeindebezirk.
Am 12. März 1938 muss Carl Bosse erleben, wie das freie und unabhängige Österreich mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht untergeht. Mit der Besetzung Österreichs wird die deutsche Gesetzgebung übernommen und damit auch die ‘Nürnberger Rassengesetze’, nach denen Carl Bosse als ‘Volljude’ gilt.
Er verliert sofort seine Anstellung als Chemiker. 1940 muss er auf Betreiben der übrigen Hausbewohner die gemeinsame Familienwohnung verlassen. Sogar das Betreten der Familienwohnung, in der seine Ehefrau und Tochter weiterhin wohnen, wird ihm untersagt. Carl Bosse findet schließlich Unterkunft in einer jüdischen Gemeinschaftswohnung in der Rotenturmstraße. Er wird von seiner Ehefrau mit Lebensmitteln und allem Nötigen versorgt.
Im Frühjahr 1941 wird Carl Bosse erstmalig Verhaftet und in einem jüdischen Bereich in der Sperlgasse im 2. Wiener Gemeindebezirk festgehalten. Nur das unermüdliche Vorsprechen seiner Ehefrau Ilonka Maria Bosse bei den Gestapo-Beamten Anton Brunner und Ernst Girzick, die sie auf gröbste beschimpfen, ermöglicht es, dass Carl Bosse nicht deportiert wird, im Spätherbst 1941 frei kommt und in die Wohnung in der Rotenturmstaße zurückkehren kann.
Als Anfang Mai 1942 eine Aushebung der Gestapo in der Rotenturmstraße stattfindet, ist Carl Bosse nicht zugegen, da er im Geheimen bei seiner Ehefrau und seiner Tochter übernachtet. Er wird sofort am nächsten Tag verhaftet und von der Castellezgasse in die Sperlgasse gebracht. Diesmal gelingt es Ilonka Maria Bosse nicht, trotz größter Anstrengungen, ihren Ehemann freizubekommen. Sie wird vier Tage wegen ‘renitenten Benehmens’ festgehalten.
Am 15. Mai 1942 wird Carl Bosse vom Wiener Aspangbahnhof nach Izbica in Polen deportiert. Er läßt seiner Ehefrau und seiner Tochter noch einen letzten Brief zukommen.
Liebe Ilonka, liebe Matha!
Ich denke unablässig nur an Euch und wünsche Euch aus vollem Herzen das Allerbeste. Behaltet mich im guten Andenken und vertragt Euch im Gedenken an mich. Dir, liebe Martha, wünsche ich ein einträchtiges, friedliches Zusammenleben mit Toni, den ich herzlichst grüße. Ihr braucht jetzt auf mich keine Rücksicht mehr zu nehmen, mir kann nichts mehr schaden, unternehmt alle Schritte, die Euch geeignet erscheinen, Eure Zukunft nach Möglichkeit zu sichern. Ich bleibe Euch in Treue verbunden und bin sicher, dass Ihr es mir innerlich auch bleibt, das genügt mir. Wenn ich kann, gebe ich Nachricht.
Immer und Ewig der Eure
Carl
Zwischen dem 9. April und dem 5. Juni 1942 gehen insgesamt vier Deportationstransporte mit 4.000 jüdischen Männern, Frauen und Kindern vom Wiener Aspangbahnhof nach Izbica ab. Der Ort Izbica liegt etwa 18 km südlich der Kreishauptstadt Krasnystow im Distrikt Lublin. Die ursprüngliche Einwohnerschaft von ca. 6.000 Personen bestand etwa zu 90 Prozent aus Juden. Durch Deportationen aus anderen Teilen Polens, aus dem ‘Protektorat’ (darunter auch Österreicher), aus dem ‘Altreich' und aus Wien stieg die Anzahl der jüdischen Bewohner zeitweise auf bis zu 12.000 Personen.
Offensichtlich um Platz für die Neuankömmlinge zu schaffen, werden bereits am 24. März 1942 ca. 2.200 Menschen aus Izbica in das Vernichtungslager Belzec deportiert.
Nach einer Pause von einigen Monaten übernimmt im Sommer 1942 ein ‘Umsiedlungsstab’ der SS die Organisation der nun wieder anlaufenden Deportationen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt muss Izbica als ein ‘Warteraum’ für das Vernichtungslager Belzec gesehen werden, dessen Belegung durch die Kapazitäten der Vergasungsanlagen von Belzec bestimmt wird. Am 15. Oktober 1942 werden 10.000 Juden auf dem Bahnhof von Izbica zusammengetrieben, von denen 5.000 abtransportiert werden. Bei dieser Selektion kommt es zu einem Massaker, bei dem ca. 500 Menschen erschossen werden.
Niemand von den 4.000 nach Izbica deportierten österreichischen Juden überlebt. Es kann davon ausgegangen werden, dass Carl Bosse nach dem 15. Oktober 1942 wahrscheinlich im KZ Belzec vergast wurde.
Nach der Befreiung Österreichs im Mai 1945 engagiert sich seine Ehefrau Ilonka Maria Bosse in der ÖVP-Kameradschaft der politisch Verfolgten und Bekenner für Österreich.
[Anm.: Carl Bosse schreibt sich zwar Standesamtlich mit ‘K’, er selbst verwendete aber die Schreibweise von Carl mit ‘C’.]
Quellen
Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA)
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW)
