Univ.-Prof. Dr. Paul Martin Neurath

Paul Martin Neurath kommt in Wien als einziges eheliches Kind des jüdischen Soziologen und Philosophen Otto Neurath und der Sozialwissenschaftlerin, Frauenrechtlerin und Übersetzerin Anna, geborene Schapire, zur Welt. Nach dem Besuch der Volksschule und des Gymnasiums in Wien studiert Paul Neurath, der sich schon als Jugendlicher der Sozialistischen Jugend anschließt, seit 1930 Rechtswissenschaften an der Universität Wien. 1937 promoviert er darin und wird Rechtsanwaltsanwärter.

Der aktive Sozialist erlebt am 12. März 1938 den Untergang des freien und unabhängigen Österreichs, als die deutsche Wehrmacht einmarschiert. Er versucht zu fliehen, wird aber noch vor der tschechoslowakischen Grenze am 13. März 1938 verhaftet. Mit dem sogenannten ‘Prominententransport’ wird er am 2. April 1938 in das KZ Dachau deportiert. Am 23. September 1938 wird er in das KZ Buchenwald überstellt. Dort kommt Paul Neurath am 27. Mai 1939 frei. Er emigriert am 5. Juni 1939 nach Schweden.

In Schweden besucht er zuerst eine Metallausbildung und arbeitet als Metallarbeiter in Götheborg. Im Mai 1941 gelingt ihm schließlich die Emigration in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo er am 3. Juni 1941 in New York ankommt. Er inskribert sofort an der Columbia University in New York und promoviert dort in Soziologie im Jahre 1943. Zwischen 1941 und 1944 arbeitet er als Kodierer beim Office of Radio Research [später: Bureau of Applied Social Research] an der Columbia University, welches der von ihm hochgeschätzte Paul Felix Lazarsfeld gegründet hatte und leitet. Zwischen 1942 und 1946 wird er Assistant in Statistics an der Graduale Faculty der Columbia University, im Oktober 1943 Lecturer in Statistics am City College der New York School of Business [später: Bernard M. Baruch College]. Daneben ist er 1945 bis 1955 Statistics Consultant der lndustrial Commodities Corp., New York.

In den Vereinigten Staaten von Amerika erlebt er die Befreiung Österreichs, kehrt jedoch nicht mehr in seine Heimat zurück, sondern nimmt die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an. Im Februar 1946 wird Paul Neurath Fakultätsmitglied des Department of Sociology am Queens College, New York (City University of New York): zunächst lnstructor, 1953 Assistant Professor, 1959 Associate Professor und 1962 Full Professor of Sociology and Statistics; außerdem ist er ab 1965 Mitglied der Doctoral Faculty in Sociology.

Ab 1965 ist Paul Neurath Gastprofessor am Institut für Höhere Studien (IHS). Schon vorher, nämlich 1961, 1962, 1963 und 1971 bis 1972 ist er Gastprofessor am Institut für Soziologie der Universität Wien, wo er ab 1973 als Honorarprofessor (verbunden mit einer permanenten Venia legendi) lehrt und auch weiterhin mehrere Gastprofessuren absolviert.

Im Februar 1977 emeritiert er, leitete aber noch einige Jahre Graduale Courses. 1980 gründet er das Lazarsfeld-Archiv an der Universität Wien, das er bis zu seinem Tode leitet.

Er verstirbt knapp vor seinem 90. Geburtstag in New York.